„Das Geschlecht spielt für die Jungs keine Rolle“
16. April, 2016 13.00 Uhr
Sabrina Wittmann: Wir befinden uns derzeit im unteren Mittelfeld der Tabelle. Grundsätzlich spielt die Tabellensituation aber eine untergeordnete Rolle, da es allein um den Gedanken der Ausbildung geht. Da die Jungs in der vergangenen Saison noch auf dem 9:9 Feld ihre Spiele absolvierten und letzten Sommer dann als Meister aus der Kreisliga in die Förderliga, also in das Großfeld, springen mussten, standen wir sicher alle vor einer ordentlichen Aufgabe. Nach einem Achtungserfolg gegen den FCB am ersten Spieltag, folgten deutliche Niederlagen, welche oft auch durch einen klar körperlichen Nachteil unsererseits zu erklären waren. Nichtsdestotrotz war es für viele nicht leicht diesen Unterschied wegzustecken. Das Ziel ist nach wie vor die Ausbildung unserer Spieler so individuell wie möglich zu sehen, ohne dabei die Fortschritte der Mannschaft aus den Augen zu verlieren. Die Jungs haben sich alle sehr gut sportlich, aber auch mental entwickelt und sich in der Liga und dem Großfeld akklimatisiert.
fci.de: Ihr spielt in der sogenannten „Förderliga“. Was kann man sich darunter überhaupt vorstellen und welches Potenzial siehst du in deinem Team?
Sabrina Wittmann: Natürlich müssen sich die Jungs neben all den Aspekten der sportlichen Ausbildung auch mental weiterentwickeln. Die Förderliga ist dafür ein gutes Pflaster, weil hier weder Auf- noch Abstieg möglich sind. Trotzdem absolviert man Woche für Woche Leistungsvergleiche gegen die anderen sechs bayerischen Bundesliga NLZ und die Auswahlmannschaften des bayerischen Fußballverbandes.
Schön zu sehen ist, dass vor allem unser Verein die Rolle der Förderliga hervorragend interpretiert und wir in diesen Altersstufen keine kurzfristigen Erfolge anstreben, sondern die Nachhaltigkeit oberste Priorität hat.
Auch wenn die gleichalten Spieler aus einigen anderen Jugendbereichen unseren Jungs körperlich deutlich überlegen sind, setzt man im Schanzer NLZ tendenziell eher auf kleinere, quirlige Fußballer, die sich noch entwickeln können und über großes Potenzial verfügen. Automatisch muss man sein Ego etwas hintenanstellen, nicht nur nach Ergebnissen messen und auch Eltern zu verstehen geben, dass die Entwicklung und die Umsetzung der Trainingsinhalte im Vordergrund stehen.
fci.de: Vor kurzem habt ihr einen tollen Achtungserfolg gegen das Team aus Augsburg erzielt, deren U 13 aktuell, insbesondere körperlich, als absolutes Top-Team gilt. Wie fällt deine Nachbetrachtung aus?
Sabrina Wittmann: Das Hinspiel haben wir deutlich mit 0:6 verloren, obwohl wir versucht haben, vor allem defensiv sehr sicher und tief zu stehen. Zum Rückspiel haben wir uns etwas anderes überlegt und wollten unsere Qualitäten in den Vordergrund bringen. Wir haben offensiv verteidigt, früh attackiert und den Gegner damit überrascht. Doch schon früh haben wir sehr unglücklich ein Tor bekommen. Am Plan hielten wir dennoch fest und haben uns dann noch im ersten Durchgang mit dem Ausgleich belohnt. Leider ist der Gegner dann erneut in Führung gegangen, doch wir haben gezeigt, wie sehr wir uns weiterentwickelt haben – das ist absolut positiv und man merkt, dass die Ausbildung fruchtet. Allgemein haben wir uns im letzten halben Jahr in allen Bereichen toll verbessert.
fci.de: Kann man sagen, dass das Team mehr oder weniger „deine Jungs“ sind?
Sabrina Wittmann: Auf jeden Fall. Vielleicht liegt es daran, dass ich eine Frau bin, aber mir wachsen die Jungs schon immer sehr ans Herz. Das heißt aber nicht, dass ich deshalb weniger intensiv mit ihnen arbeite. Nichtsdestotrotz komme ich mit meinen Jungs gut zurecht, habe durch meine Co-Trainer Phillip Mayr und Matthias Schneider sowie meinen anderen Kollegen aber auch tolle Unterstützung.
Sabrina Wittmann und "ihre Jungs" beim Training.
fci.de: Ist es aus deiner Sicht etwas Besonderes als Frau im Jungenbereich zu trainieren?
Sabrina Wittmann: Zu Beginn wurde ich tatsächlich teilweise für die Betreuerin gehalten und gefragt wo denn der Trainer sei, aber das hat sich gewandelt. Sicherlich muss man sich einiges erarbeiten, das steht außer Frage. Ich bin jedoch der Meinung, dass, solang man selbst kein großes Thema daraus macht, ist es keines. Die Jungs im NLZ nehmen mich überragend auf, da spielt es nicht die geringste Rolle, ob man Mann oder Frau ist. Je länger man tätig ist, wächst schließlich auch die Akzeptanz der Eltern oder der Gegner. Außerdem fühle ich mich in unserem NLZ hervorragend unterstützt und aufgehoben, das stärkt zusätzlich. Im Umgang mit den Jungs ist es, finde ich, stets eine Frage des Herangehens. Ich bin im Prinzip schon eher locker, doch bin in meiner Arbeit sehr konsequent. Das ist für mich durchaus wichtig und wird von meinen Fußballern akzeptiert. Am Ende des Tages geht es um die Ausbildung und Weiterentwicklung der Jungs, deswegen ist meine Tätigkeit bislang weitestgehend unproblematisch.
fci.de: Wie bist du überhaupt zum FC Ingolstadt 04 gekommen und was verbindet dich mit dem Verein?
Sabrina Wittmann: Sehr viel! Ich habe zwischen 2005 und 2012 selbst bei den Schanzer Frauen gespielt und dann die U 15-Juniorinnen trainiert. Anschließend übernahm ich die U 10 im Schanzer NLZ, bin mit dieser Mannschaft quasi „hochgegangen“ und habe dann die U 11 trainiert, ehe ich im Winter 2015 also nun vor knapp anderthalb Jahren die U 13 übernahm. Außerdem arbeite ich seit Jahren schon bei der Audi Schanzer Fußballschule. Ich begleite den Verein also schon eine ganze Weile und fühle mich hier absolut wohl.
fci.de: Wie steht es um deine Ausbildung als Trainerin und inwiefern hilft dir dabei das NLZ des FC Ingolstadt 04?
Sabrina Wittmann: Ich habe bereits die B-Lizenz im Leistungsfußball und bin gerade dabei, auch die DFB-Elite-Lizenz zu absolvieren. Ich studiere außerdem nebenbei Sportwissenschaften, die einen passenden Background zur Tätigkeit als Trainerin bilden. Ich kann Vieles aus dem Studium in den Job einbringen, profitiere aber auch umgekehrt. Man nimmt viel mit und es ergänzt sich größtenteils optimal. Am meisten lerne ich aber aus internen Fortbildung, die monatlich auf dem Programm stehen und von unserem sportlichen Leiter Roland Reichel gehalten werden sowie aus dem ständigen Austausch mit Alex Reifschneider und meinen erfahrenen Kollegen – das alles hilft wirklich sehr! Allgemein sind die Voraussetzungen mittlerweile überragend. Wie gesagt, bin ich schon länger Teil des FCI und die Entwicklung ist hervorragend. Wir Trainer und die Jungs schätzen das wirklich sehr und auch die Wertschätzung für die eigene Arbeit sowie die gegenseitige Unterstützung im gesamten Verein sind sensationell.
fci.de: Warum wurdest du überhaupt zur Trainerin und hältst daran fest?
Sabrina Wittmann: Die direkte Arbeit mit den Jungs ist das Größte für mich! Die Weiterentwicklung fast schon wöchentlich erkennen zu können und für die sportliche sowie menschliche „Ausbildung“ dieser jungen Menschen mitverantwortlich zu sein, macht mir einfach unglaublichen Spaß. Außerdem mag ich es, das Ruder in der Hand zu haben, was aber natürlich zugleich viel Verantwortung und Druck mit sich bringt. Die Jungs erwarten gut ausgebildet zu werden, da muss der eigene Anspruch als Trainer schon hoch gesteckt sein. Das alles reizt mich.
fci.de: Wo soll es für dich in deiner Trainerkarriere noch hingehen?
Sabrina Wittmann: Der Wunsch ist selbstverständlich immer, dass es so weit wie möglich geht – wie weit, wird man sehen. Neben dem Abschluss des Studiums habe ich mir vorgenommen, mich so gut es geht zu rüsten, meine Lizenzen zu absolvieren und später im Fußball tätig zu sein. Eine Prognose ist zwar nie wirklich möglich, doch ich möchte definitiv im Leistungsfußball der Herren beziehungsweise der Jungen arbeiten.
fci.de: Aus welchen Gründen bevorzugst du die Arbeit mit männlichen Nachwuchstalenten?
Sabrina Wittmann: Ich fühle mich in diesem Bereich einfach extrem wohl und bekomme eine Möglichkeit, die für mich nicht selbstverständlich ist. Das werde ich nicht freiwillig aufgeben, deshalb stellt sich die Frage auch gar nicht. Außerdem mag ich Geschwindigkeit und Härte im Spiel, welche aus athletischen Gründen bei männlichen Fußballern automatisch ausgeprägter sind. Natürlich spielt die Tatsache, dass Frauen im männlichen Fußball meist keine große Rolle spielen sicherlich eine – wenn auch eine untergeordnete.