Blindenkommentator Ott: „Sich wohlfühlen und das Spiel genießen können“

Blindenkommentator Mathias Ott

Blindenkommentator Ott: „Sich wohlfühlen und das Spiel genießen können“

08. August, 2017 15.00 Uhr

Wenn im Audi Sportpark der Ball rollt, dann schnuppert man Stadionluft, hört die Fangesänge und sieht die Schanzer auf dem Platz alles geben. Doch manchen FCI-Fans fehlt genau dieser letzte Sinn – sie sind blind und dennoch treue Anhänger, die sich kein Spiel entgehen lassen. Für sie verbildlicht Blindenkommentator Mathias Ott an jedem Spieltag das Geschehen auf dem Platz und sorgt für rundum glückliche Schanzer. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

fci.de: Den Fußball ohne Bilder vermitteln – wie geht das und wie sehr musst du ins Detail gehen, damit deine Zuhörer etwas vom Spiel mitbekommen?

Mathias Ott: Ich benutze schon Bilder. Meine „Nutzer“, wie ich sie nenne, also Blinde und Sehbehinderte, wollen natürlich alles mitbekommen. Sobald es im Stadion lauter oder leiser wird, muss ich die Bilder dazu liefern. Das fängt schon vor dem Spiel an mit dem Beschreiben der Stimmung der Fans, den Choreos beider Teams, der Körperhaltung der Spieler etc. Ich muss extrem ins Detail gehen. Ich reportiere fast das komplette Spiel durch. Es gibt so viele visuelle Eindrücke, die man als Zuschauer für selbstverständlich hält. Den Test kann ja jeder im Stadion gerne mal machen. Einfach für 20 Sekunden die Augen schließen und nur die Geräusche wahrnehmen – das ist heftig, was da alles passiert. Und das alles muss ich den Nutzern mitteilen: Während des Spiels verfolge ich den Ball 1:1. Und das ist vor allem stressig, wenn viele Kopfballduelle aufeinander folgen oder die Abwehrspieler sich den Ball gefühlt tausend mal hin- und herspielen. Als Fernsehreporter kann man da auch mal verschnaufen, aber der Nutzer/Blinde will immer wissen, was genau in dieser Sekunde passiert.

fci.de: Bist du selbst großer Fußballfan und wie bist du zu diesem Talent gekommen?

Ott: Ich bin dazu gekommen, weil mir mein damaliger Chef während eines Praktikums von diesem Ehrenamt erzählt hat. Weil ich in Pfaffenhofen wohne, hab ich mich informiert ob es das auch in Ingolstadt gibt – Glück gehabt. Und ich mache das, weil ich selbst schon immer ein absoluter Fußballfan bin und viele, viele, auch total unwichtige Fußballspiele angeschaut habe. Als ich gehört habe, dass man anderen helfen kann, die Spiel NICHT mehr „sehen“ können, wollte ich unbedingt Blindenreporter werden und dafür sorgen, dass sie doch mehr als nur den Ton eines Spiels mitbekommen.

fci.de: Auf was kommt es im Umgang mit Blinden besonders an und was sind die Voraussetzungen, um so etwas machen zu können?

Ott: Man sollte schon lange viel Sprechen können und genau das wird immer unterschätzt. Für viele ist es schon ungewohnt fünf Minuten am Stück zu reden, und das auch noch laut, die Fans machen ja immer ordentlich Stimmung, das nutzt eine Flüsterstimme nichts. Die Spielernamen, zumindest die des FC Ingolstadt, sollte man kennen und auf die Entfernung auch erkennen. Jeder Spieler in der Unterlagen zu suchen, kostet zu viel Zeit. Im Umgang mit den Blinden ist wichtig, dass man immer für sie da ist. Sie sollen sich wohlfühlen und das Spiel genießen können. Der Akku der Empfängergeräte kann leer werden – das muss ich dann schnell die Batterien austauschen. Wenn jemand eine Szene erklärt oder wiederholt haben möchte, dann mache ich das auch. Ansonsten unterscheiden sich die Nutzer nicht groß von den restlichen Fans. Sie feuern ihr Team an, jubeln oder lassen die Köpfe hängen, wenn es nicht gut läuft und wollen einfach dieses Erlebnis mitnehmen.

fci.de: Wie sieht dein Arbeitsalltag beim FCI aus?

Ott: Etwa eine Stunde vor Anpfiff hole ich mir die Aufstellung fürs Spiel und skizziere mir die Aufstellung. Das hilft mir vor allem beim Gegner, wenn ich nicht alle Spieler kenne, aber weiß, wer wo spielt. Dann hole ich mir mein Equipment: Mein Mikrofon, durch das ich reportiere, die Empfängergeräte mit einem Ohrstöpsel, die die Nutzer bekommen und natürlich Fakten zum Spiel und Ersatzbatterien. Dann geht’s etwa eine halbe Stunde vor dem Spiel auf meinen Platz im Stadion. In meine Reihe sitzen auch die Blinden- und Sehbehinderten. Dann können wir uns kennenlernen und ich gib dann auch gleich die Geräte aus und mache eine Empfangstest. Dann folgt die Reportage, 2×45 Minuten und nach dem Spiel sammel ich die Geräte wieder ein, hol mir ein kurzes Feedback und verabschiede mich.

fci.de: Wie viele Zuhörer hast du im Durchschnitt und wie lange bist du schon Blindenkommentator?

Ott: Dieses Ehrenamt ist, wie der Verein, noch etwas jung, und es ist sicher noch nicht jedem sehbehinderten Fußballfan bewusst, dass es diesen Service überhaupt gibt. Oft kommt ein Dauerbesitzer und 3-4 Fans, auch vom Gastverein. Ich mache das seit der Rückrunde der damaligen Aufstiegssaison, also seit zweieinhalb Jahren.

Wenn ihr selbst einmal als Blindenkommentator beim FCI tätig sein wollt, dann meldet euch jetzt bei fanbeauftragter@fcingolstadt.de , denn wir suchen Unterstützung!