„Den Titel 12. Mann muss man sich verdienen“
30. September, 2016 17.00 Uhr
Matthias Fischer: Es gab für mich zwei traurige Ereignisse: Ich bin wirklich ein grenzenloser Optimist, aber als wir in unserer ersten Zweitligasaison gegen den FC St. Pauli verloren haben und somit rechnerisch abgestiegen waren, hat mich das schon mitgenommen, inklusive der ein oder anderen Träne. Heute sehe ich es als Entwicklungsschritt, der uns in der Summe nicht schwächer gemacht hat. Das zweite schlechte Erlebnis ist gleichzeitig verbunden mit einem der schönsten, denn ich war einer von vielleicht 25 Leuten, die damals mit beim Wiederaufstieg in Rostock waren. Dann sind wir über zwölf Stunden zurückgefahren und als wir wieder in Ingolstadt angekommen sind, hat der Wirt gerade die Überreste der Aufstiegsfeier zusammengekehrt und mir gesagt: „Ja Bua, die sind alle gerade Heim“. Ich würde es trotzdem wieder genauso machen (lacht).
Christian Huber: Ich muss sagen, dass ich eigentlich keine richtig schlimmen Momente mit dem FCI hatte. Natürlich war der Abstieg nicht schön, weil wir gefühlt zehn Matchbälle, die Liga zu halten, nicht genutzt haben. Umso schöner war der Wiederaufstieg ein Jahr später. Mir persönlich bedeutet aber der Einzug von der Regionalliga in die zweite Liga 2007/2008 sogar mehr, weil es damals eine tolle kleine Fangemeinde im MTV-Stadion war – sehr überschaubar, aber eingeschworen. Außerdem werde ich unser erstes Tor in der Bundesliga beim Auswärtssieg in Mainz nie vergessen. Da war eine ganz besondere Stimmung, der ganze Block war elektrisiert!
Moritz Fehringer: In der dritten Liga zehn Stunden nach Osnabrück fahren, zur Halbzeit 2:1 führen, am Ende 5:2 verlieren und zehn Stunden zurückfahren. Das war richtig bitter, aber das passiert nun Mal. Der emotionalste Moment war bei mir auch das Tor von Lukas Hinterseer in Mainz. Ich bin von einem Zaun zum nächsten gerannt, meinen Kumpel auf den Rücken gesprungen und gemeinsam sind wir zum Feiern so dicht wie möglich ans Feld gerannt. Das will man beim Fußball erleben, es war wie im Bilderbuch. Für mich war besonders wichtig, dass ich diesen Moment mit den Leuten hatte, mit denen ich schon seit der dritten Liga unterwegs bin. Keiner hat irgendetwas von Ingolstadt erwartet und wir haben sie alle geärgert.
Bescheidene Anfänge: Der Stadionbesuch 2008 beim FCI als Familienevent (Foto: Bösl/KBUMM)
fci.de: Mit welchen Erwartungen seid ihr damals in die Bundesliga gegangen?
Fehringer: Man hat eigentlich gar nichts erwartet. Wir haben uns einfach gefreut, dass das kleine Ingolstadt bei den Großen mitspielen darf. Ich habe damals gesagt, dass wir vielleicht mit etwas Glück in die Relegation kommen. Aber es ist anders gekommen.
Fischer: Ich kann mich nur anschließen. Ich habe mal im Fernsehen gesagt „das hätte ich der Mannschaft gar nicht zugetraut“ – und das war wirklich positiv gemeint. Ich war wirklich überrascht, denn man ist losgegangen nach dem Motto: Jetzt schauen wir mal. Ich habe alles mitgenommen, weil ich mir dachte: Vielleicht spielst du nur ein Jahr Bundesliga und willst nicht bereuen, dass du nicht alle Spiele gesehen hast.
fci.de: Zur aktuellen Situation: Die Schanzer sind nicht gut gestartet und stehen mit lediglich einem Punkt nach fünf Spieltagen da. Wie bewertet ihr die aktuelle Situation?
Fischer: Es sind fünf Spiele absolviert und eigentlich ist noch nichts passiert. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass wir mit Ausnahme der Aufstiegssaison jedes Jahr gegen den Abstieg gekämpft haben. Egal ob unter dem Motto „Punkte- oder Aufholjagd“, man hat sich eigentlich immer nur eine ruhige Saison gewünscht, wie im letzten Jahr. Jetzt stehen wir unten und das wird nicht das letzte Mal sein. Darin besteht doch gerade der Reiz: Sich immer wieder gegen die favorisierten Teams durchzubeißen und zu schauen, ob es am Ende reicht.
Huber: Wir haben diese Saison Spiele verloren, die wir letztes Jahr mit etwas mehr Glück gewonnen haben. Allerdings spielen wir jetzt auch einen anspruchsvolleren Fußball und es wird sich eben zeigen, ob wir das können. Ich halte mich weiter daran, dass ich einfach alles miterleben will und nach fünf Spieltagen ist die Situation nicht gut, aber verloren ist überhaupt nichts.
Die Fanszene beim Derby in Augsburg 2009 (Foto: Bösl/KBUMM)
fci.de: In welchem Fall würdet ihr die Mannschaft nicht mehr unterstützen?
Fehringer: Wenn sie keinen Willen mehr zeigen würden. Das, worauf wir so unglaublich stolz sind, darf nicht verloren gehen. Für uns auf der Südtribüne ist das sehr wichtig – egal ob die Mannschaft gewinnt oder verliert, sie muss es versuchen und daran glauben. Und ich fand es sehr stark, dass die Mannschaft sich trotz der Niederlage in Gladbach bei allen Mitgereisten bedankt hat.
Fischer: Ich schließe mich an. Allerdings muss ich ergänzen, dass wir es niemals zulassen dürfen, dass irgendwer einen Keil zwischen uns und die Mannschaft treibt. Wenn jemand beim Heimspiel nach 20 Minuten das Pfeifen anfängt, weil man hinten liegt, dann darf er sich auch nicht beschweren, wenn ein Spieler sich denkt: Für solche Fans spiele ich doch nicht!
Huber: Was vielleicht viele vergessen ist, dass unsere Mannschaft ein absolutes Aushängeschild für Ingolstadt ist. Wir sind keine Metropole und wir haben nicht die Mittel, wie sie andere haben, weshalb es fast nichts gäbe, dass meine Unterstützung brechen könnte. Allerdings würde ich mir sehr schwer damit tun, wenn das Familiäre, was den FCI ausmacht, irgendwann mal verschwinden würde. Wenn wir nicht mehr bescheiden oder geschlossen auftreten würden. Dann könnte ich mich nicht mehr mit dem Verein identifizieren.
Alle Dämme gebrochen: Platzsturm zum Bundesligaaufstieg 2015 (Foto: Bösl/KBUMM)
fci.de: Aktuell leidet die Stimmung bei den Heimspielen unter den Ergebnissen. Wie empfindet ihr die Situation live im Stadion?
Fischer: Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass für manche die Bundesliga schon zur Gewohnheit geworden ist und sie sich lieber das Spiel im Fernsehen anschauen, weil sie denken, die Mannschaft braucht sie aufgrund der starken vergangenen Saison nicht mehr. Was mich aber sehr beunruhigt ist, wenn Leute vor Abpfiff gehen. Dann muss ich mich selbst schon fragen, mit welchen Erwartungen ich in den Audi Sportpark gekommen bin und ob es mir völlig egal ist, dass die Spieler es sehr wohl wahrnehmen, wenn Leute das Stadion verlassen. Jedes Spiel wird hart und jedes Spiel wird auf der Kippe stehen. Wer schon länger als zwei Heimspiele beim FCI ist, der kann sich noch genau an den wichtigen Heimsieg gegen Düsseldorf erinnern, als das komplette Stadion den Ball in der Nachspielzeit ins Tor gebrüllt hat. Wären wir dort in der 80. Minute gegangen und hätten trotz Rückstand nicht daran geglaubt, würden wir jetzt nicht in der Bundesliga spielen.
Fehringer: Ich glaube, dass die Partie gegen Düsseldorf das beste Beispiel dafür war, was Fans auf den Rängen bewirken können. Wir sind der Stimmungsblock im Stadion und natürlich ist das nichts für jeden. Ich verlange auch nicht, dass alle Sitzplätze 90 Minuten lang singen und klatschen, aber die Mannschaft muss spüren, dass sie den Rückhalt des kompletten Heimbereichs hat. Nach Abpfiff kann sich jeder über ein verlorenes Spiel ärgern, aber davor kann man alles dafür tun, dass es anders ausgeht und den Spielern Mut machen. Wir haben so ein schönes, kleines Stadion – das muss ein Hexenkessel und kein Theater sein. Wenn ich mich als "12. Mann" angesprochen fühle, dann muss ich mir das auch verdienen!
Der erste Heimspieltag der Saison 2015/2016 gegen Borussia Dortmund (Foto: Bösl/KBUMM)
fci.de: Was würdet ihr euch für die restliche Saison wünschen?
Fischer: Ich glaube fest daran, dass wir unser Ziel erreichen. Ich würde mir wünschen, dass wir ruhig bleiben, den Leuten vertrauen, die uns hierher gebracht haben und ihnen zeigen, dass sie sich unseren Respekt schon so oft verdient haben, dass durch einen schlechten Saisonstart niemand an ihnen zweifelt. Dass die Zuschauer verstehen, an welchem Ort sie das Glück haben, Bundesliga zu sehen und ihre Komfortzone verlassen, indem sie das Team auch mal Auswärts unterstützen. Es gibt nichts schöneres, als ein Heimteam in seinem Stadion zu ärgern, in dem sich 40 000 Leute denken: „Was wollen die eigentlich hier?“
Fehringer: Ich würde mir wünschen, dass egal wie es ausgeht, wir der Liga beweisen, dass wir als kleines Ingolstadt zusammenstehen. Dass wir uns würdig präsentieren, egal ob Fans oder Mannschaft. Ich wünsche mir, dass wir ruhig bleiben und beweisen, dass es auch ohne Fanaufstände und Trainerrauswürfe geht.
Huber: Es wäre auch mein Wunsch, dass wir hier diese üblichen Mechanismen, die viele Vereine in Drucksituationen haben, einfach beiseite lassen und wieder überraschen. Ich hoffe, dass wir einfach die Saison genießen, dass es egal ist, ob du Champions League spielst oder seit 50 Jahren Bundesligamannschaft bist: Einmal im Jahr musst du in unserem schönen Ingolstadt antreten, in einem kleinen Stadion, das aber bebt und dass eine Mannschaft beheimatet, die jeden schlagen kann, aber noch wichtiger: Die immer gefährlich und unangenehm zu bespielen ist. Ich hoffe natürlich, dass wir es wieder schaffen, die Klasse zu halten – als Zehnter, über die Relegation oder wie auch immer.
Fehringer: Im letzten Jahr hatten wir mit „Geschichte neu schreiben“ genau den richtigen Slogan. Vielleicht machen wir das einfach nochmal: Durch Geduld, Vertrauen und Einsatz. Am Ende will sicher niemand bereuen, nicht alles gegeben zu haben.
Bleibt nur zu sagen: Jetzt Ticket im Vorverkauf oder an den Tageskassen (2 Stunden vor Anpfiff) sichern und ab in den Audi Sportpark! Wir brauchen den 12. Mann im Spiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim!