Provinz, (kein) Ponyhof, & Führungsprofis: Fünf Geschichten zum Spiel gegen den SV Meppen

Beim letzten Gastspiel in Ingolstadt entführte Meppen im Herbst 2019 einen Punkt gegen Paulsen und Co. (Foto: Bösl / KBUMM)

Provinz, (kein) Ponyhof, & Führungsprofis: Fünf Geschichten zum Spiel gegen den SV Meppen

17. April, 2021 09.00 Uhr

„Aufstiegskampf ist wie Abstiegskampf – nur umgekehrt“. Der ehemalige Schanzer-Übungsleiter und derzeitige Coach des aktuellen Tabellenführers Dynamo Dresden, Markus Kauczinski, scheint zu wissen, wovon er spricht. Je nach Sichtweise „zäh“ oder auch „hochspannend“ sind aktuell die passenden Begriffe für das Aufstiegsrennen und den Kampf um den Klassenerhalt. Kapitän Stefan Kutschke brachte es zuletzt auf den Punkt: „Wir brauchen jetzt Siege, Siege, Siege.“ Der erste soll am Sonntag (Anpfiff um 13 Uhr im Audi Sportpark) gegen den SV Meppen her. Mit fünf kleinen Geschichten möchten wir unsere Fans auf dieses so wichtige Spiel einstimmen. Jürgen Klopp, abzulegende Kleidungsstücke, kein Ponyhof und ein Ex-Trainer, der als Spieler ein Star war und in dieser Woche trotzdem seine Sachen packen musste, kommen darin vor. Und um Verwechslungen aufgrund der Vereinsfarben auszuschließen, beugte Kutschke bereits nach der Partie gegen Bayern vor: „Wir spielen ja nicht gegen Blau-Weiß Kösching!“

Toni, Diego und Kloppo
Wer bisher meinte, der SV Meppen wäre ein biederer, vielleicht sogar ein wenig hinterwäldlerischer Dorfclub aus dem langweiligen, regnerischen, nebeligen Emsland, der sieht sich ob der Berührungspunkte der Blau-Weißen mit ehemaligen und aktuellen Fußball- und Trainergiganten schnell eines Besseren belehrt. Für die Torwartlegende Harald „Toni“ Schumacher stand nach seinem Abstieg mit Schalke 04 unumstößlich fest: „Ich spiel doch nicht in Meppen!“, Weltstar Diego Maradona (damals 21 Jahre jung) absolvierte sein erstes Spiel auf europäischen Boden für den Weltclub FC Barcelona beim SV Meppen (Endstand 5:0, Maradona verwandelte einen Elfmeter) und auch Trainerikone Jürgen „Kloppo“ Klopp hat einschneidende Erinnerungen an den SV Meppen: Der Meister-Trainer des FC Liverpool trat am 11. Spieltag der Zweitligasaison 1996/97, damals noch als Spieler, mit seinem SV Mainz 05 bei den Emsländern an. Neunter gegen Fünfter lautete das damalige Duell. „Kloppo“ hatte die Aufgabe, Meppens Torjäger Christian Claaßen auszuschalten. Dies gelang ihm – überhaupt nicht. Claaßen erzielte zwischen der 3. und 15. Minuten einen lupenreinen Hattrick für Meppen, was den damaligen „Nullfünfer-Trainer“ Wolfgang Frank dazu bewog, Claaßens Gegenspieler Jürgen Klopp nach nur 17 Spielminuten auszuwechseln. Das Spiel endete übrigens 5:4 für die Meppener. An dieser Stelle sei nicht verschwiegen, dass Jürgen Klopp über seine eigene Spielerkarriere mit folgendem Zitat urteilte: „Ich habe mich lange genug mit schlechtem Fußball auseinandergesetzt – und zwar mit meinem eigenen.“

Ausziehen, ausziehen, …
Fußballanhänger, insbesondere jene, die in den Fanblocks für den lautstarken Support zuständig sind, gelten gemeinhin als recht einfallsreich. „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, ist eine dieser gern geschmetterten Schmähhymnen, sobald die Elf eines recht erfolgreichen bayerischen Vereins den Rasen betritt. Was das mit Meppen zu tun hat? Unser kommender Gegner erwarb sich während seiner Zweitligazugehörigkeit von 1987 bis 1998 absoluten Kultstatus. Allein der Aufstieg des kleinen Städtchens galt bereits als Fußballwunder. Zudem ging jeder Spieler aus finanziellen Gründen noch einer Berufstätigkeit nach. Der Kader bestand aus 22 Mann, wovon 19 gebürtige Emsländer waren. Niemand hätte auch nur einen Cent auf den Klassenerhalt der „Halbprofis“ gewettet. „Zieht den Meppenern die Gummistiefel aus“ hallte es deshalb recht herablassend aus den mit was auch immer geölten Kehlen der gegnerischen Fans. Doch die Anhänger der Niedersachsen reagierten keineswegs beleidigt – im Gegenteil. Sie nahmen es voller Stolz und mit Humor. Einige machten sich gar einen Spaß daraus, wirklich in Gummistiefeln ins Stadion zu kommen. Der SV Meppen und sein Anhang gelten daher in Fußballdeutschland – wenig überraschend – als überaus sympathisch.

Punkte nach Führung: Beeindruckende FCI-Serie
23-mal, so oft wie kein anderes Team der 3. Liga, ging unser FC Ingolstadt 04 in der laufenden Saison in Führung. 17-mal fuhren die Schanzer dann auch den Sieg ein, sechsmal ein Unentschieden. Nach Führung wurde noch kein Spiel verloren. Respekt! Dynamo Dresden, 1860 München und Viktoria Köln folgen mit je 21 Führungen auf den Plätzen. Der SV Meppen ziert in diesem Ranking zusammen mit dem 1. FC Kaiserlautern übrigens das Tabellenende. Beide Teams erzielten je 13mal das erste Tor. Die Emsländer verbuchten dabei elf Siege, ein Remis und eine Niederlage.

Der Star WAR der Trainer
Vize-Weltmeister 2002, Vize-Europameister 2008, 79 Länderspiele (zehn Tore) für Deutschland, Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger mit Bayern München. Vorzuweisen hat diese beeindruckende Erfolgsbilanz Torsten Frings, eben noch Cheftrainer des SV Meppen. Der Ex-Profi, der in 14 Jahren Bundesliga rund 400 Spiele für Werder Bremen, Borussia Dortmund und Bayern München absolvierte, war seit Juli 2020 für die Emsländer an der Linie tätig und trat zu Saisonbeginn die Nachfolge von Christian Neidhard an, der nach sieben Jahren Meppen auf eigenen Wunsch zu Rot-Weiß Essen wechselte. Uns ist der einstige Abräumer Frings bestens bekannt von seiner ersten Trainerstation in Darmstadt. Im beschaulichen Meppen überstrahlte der der 44-Jährige jedenfalls alles, jetzt ging es plötzlich schnell und schon ist Schluss für den einstgen Star: Am Mittwoch gab der SV Meppen die Trennung von Torsten Frings bekannt. Nach der 0:3-Heimpleite vom vergangenen Montag gegen Wehen Wiesbaden rangieren die Niedersachsen mit 36 Pluspunkten auf Rang 15, der Chef-Coach haderte zuletzt vor allem mit der mäßigen Chancenverwertung seines Teams. Sein Problem wird das nun nicht mehr sein. Sportvorstand Heiner Beckmann (59) erklärt: „Mir persönlich tut die Entscheidung leid. Ich war der festen Überzeugung, dass wir mit Torsten längerfristig etwas aufbauen können. Oberste Priorität hat der Klassenerhalt, dem ist alles unterzuordnen. Jetzt ist die Mannschaft in der Pflicht!“ Co-Trainer Mario Neumann übernimmt als Interimslösung. Deichstube.de formuliert die Ära Frings rückblickend so: „Es war ein Wechsel, der für viel Aufsehen sorgte. Torsten Frings stand für große weite Welt, Meppen für Provinz. Wir sind gespannt, wann die große weite Welt sich mal wieder in der Provinz blicken lässt – vor Frings waren Kloppo und Diego schließlich auch schon da, um im Emsland ihre Fußspuren zu hinterlassen…

Kein Ponyhof
Dass Drittligafußball „kein Ponyhof“ ist, zeigt ein Blick auf die Statistik der unfairsten Spiele in der Geschichte der 3. Liga. „Richtig auf die Hölzer“ gab es in der Hinrunden-Begegnung SV Meppen gegen Viktoria Köln (0:1). Einmal Rot, zweimal Gelb-Rot und siebenmal Gelb reichen hier für Platz eins in der „ewigen Rangliste“. „Hoch die Stelzen“ muss man da Bjön Paulsen und Co. wohl für Sonntag raten. Platz zwei gebührt der Partie FC Carl Zeiss Jena gegen den SV Sandhausen (1:1) am 17.September 2011. Schiri Tobias Helwig war nach einer Roten und elf Gelben Karten wohl nahe einer Zerrung im rechten Arm.